Rheinland-Pfalz, JVA Wittlich Modellprojekt gegen die Ausbreitung von sog. „Legal-Highs“

In der JVA Wittlich wird seit Mai 2016 ein Modellprojekt durchgeführt, bei dem die akute Psychoaktive Beeinflussung von Inhaftierten durch die Beobachtung seitens besonders geschulter Vollzugsbediensteter festgestellt wird. Hintergrund des Projekts ist das zunehmende Aufkommen von Neuen Psychoaktiven Stoffen (NPS) in den letzten Jahren. Bei diesen leicht in eine JVA einzuschmuggelden Stoffen ist der Konsum mit den gängigen Urinschnelltests in der Regel nicht nachweisbar. Das Modellprojekt verfolgt das Ziel, die bisherigen Urinschnelltests durch die Feststellungen von in der Drogenerkennung besonders geschulten Vollzugsbediensteten zu ersetzen, die damit als zentrales Beweismittel zur Grundlage für weitere vollzugliche Maßnahmen werden. Unter dem Sammelbegriff NPS werden Stoffe zusammengefasst, die vollsynthetisch hergestellt werden und die Wirkung klassischer Drogen nachahmen sollen. Es handelt sich um Stoffe, die in der Regel nicht dem Betäubungsmittelgesetzt (BtMG) unterstellt sind, weshalb NPS auch „Legal Highs“ genannt werden.

Die Hauptgruppe der NPS stellen sog. „Kräutermischungen“ dar, die vor etwa 10 Jahren erstmals unter den Namen „Spice“ auf den Markt kamen. „Spice“ enthielt indes nicht nur harmlose Kräutermischungen, sondern als Beimischung die Stoffe JWH-18 und CP 47, 497, die an denselben Rezeptoren im Körper anbinden wie Cannabis und deshalb synthetische Cannabinoide genannt werden. Beim Konsum von synthetischen Cannabinoiden kann es zu lebensgefährlichen Intoxikationen mit Kreislaufversagen, Ohnmacht, Psychosen oder Wahnvorstellungen kommen.

Der Gesetzgeber unterstellte Anfang 2009 JWH-18 und CP 47, 497 dem BtMG. Es dauerte jedoch nicht lange, bis Nachfolgeprodukte angeboten wurden, die ähnliche Wirkungen aufwiesen, aber durch kleine chemische Änderungen in der Molekülstruktur wiederum aus dem BtMG herausfielen, z. B. JWH-073 in der Kräutermischung „Bombay blue“. Es folgte ein Katz- und Mausspiel zwischen Gesetzgeber und Herstellern von NPS. Noch bevor durch verschiedene Änderungen des BtMG Stoffe als Betäubungsmittel eingestuft werden konnten, produzierten die Hersteller – vornehmlich in China – schon neue, legale NPS, so dass zwischen 2005 und 2016 mehr als 620 verschiedene NPS über das EU-Frühwarnsystem gemeldet wurden; neben synthetischen Cannabinoiden auch Stimulanzien (vor allem Amphetamin- und Cathinon-Derivate), Opioide und Benzodiazepine. Mit dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) hat der Gesetzgeber im November 2016 reagiert und erstmals ganze Stoffgruppen verboten, nämlich die Gruppe der synthetischen Cannabinoide und die Gruppe der von 2-Phenethylamin abgeleiteten Verbindungen, welche insgesamt zwei Drittel aller neuen Stoffe ausmachen, die seit dem Jahr 2005 über das europäische Frühwarnsystem gemeldet wurden. In der Phenethylamin-Gruppe werden u. a. Die Amphetamin- und Cathinon-Derivate und damit ca. 2.000 Stoffe mit pharmakologischer Wirkung erfasst. Unter Strafe gestellt sind nach § 4 Abs. 1 NpSG jedoch nur Tathandlungen, die mit einer Fremdgefährdung verbunden sind, namentlich Handeltreiben mit NPS, Inverkehrbringen von NPS, Verabreichen von NPS, Herstellen von NPS zum Zwecke des Inverkehrbringens und Verbringen von NPS nach Deutschland zum Zwecke des Inverkehrbringens, während Besitz und Erwerb von NPS zum Eigenkonsum nicht strafbewehrt sind.

Da die Weiterverkaufs- oder Weitergabeabsicht nach NPS-Funden den Inhaftierten in der Regel nicht nachgewiesen werden kann, werden die Strafvorschriften des NpSG im Vollzug kaum zur Anwendung kommen. In der JVA Wittlich wird, sobald bei einem Gefangenen der Verdacht auf einen Konsum derartiger Mittel besteht, die sog. PS-Eingreiftruppe informiert. Der oder die Bedienstete untersucht dann den Gefangenen anhand vorgegebener Kriterien und dokumentiert die Beobachtungen auf einem Beurteilungsbogen. Werden hierbei körperliche Auffälligkeiten festgestellt, wird begleitend abgeklärt, ob diese auf verordnete Medikamente zurück zu führen sind. Ist dies nicht der Fall, werden gegen den Gefangenen besondere Sicherungsmaßnahmen, etwa die Absonderung, angeordnet. Zudem wird eine Urinprobe verlangt, die speziell untersucht wird. Doch selbst wenn der Befund negativ ausfallen sollte, verhängt die JVA Disziplinarmaßnahmen alleine aufgrund von Beobachtungen der Bediensteten und letztlich ohne einen tatsächlichen Sachbeweis. Dieses Vorgehen wurde von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier (Beschluss vom 21.11.2016, 10 StVK 34/16) als rechtmäßig bestätigt. Eine Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung wurde hingegen nicht erhoben, so dass es offen bleibt, ob das OLG Koblenz die Entscheidung bestätigt hätte. Um Rechtssicherheit zu bekommen, sollte ein betroffener Gefangener den Klageweg bis zum OLG führe.

    Hauptsache weggesperrt.


    Die Situation der Gefangenen in Deutschland bleibt weitgehend unbeobachtet. Das Strafvollzugssystem ist ein in sich geschlossenes System, dass allenfalls Aufmerksamkeit findet, wenn gravierende Vorfälle geschehen. PrisonWatch durchbricht diese Schranken, indem auf die Situation der Gefangenen aufmerksam gemacht wird. In ausführlichen Berichten wird die Situation des Strafvollzuges dargestellt und ergangene Rechtsprechung besprochen und kommentiert.